5 Monate auf Reisen
Heute vor 5 Monaten bin ich in München losgeflogen. Nach jeder Menge Zwischenstops in Istanbul, Kuwait und Dubai bin ich nach ca. 40 Stunden in Manila angekommen. Mein erstes Ziel sollten die Philippinen sein, für einen Monat.
Unglaublich, dass das schon wieder 5 Monate her ist. Und noch unglaublicher, dass es sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlt. Soviel ist passiert in der Zwischenzeit: 5 Länder, viele Destinationen, noch mehr Menschen und eine spontane Rückkehr nach Deutschland für 2 1/2 Wochen.
Vor ein paar Wochen hat Carmen schon mal ein Interview mit mir geführt, das du hier lesen kannst.
Wie fühlt es sich also an, was hat sich verändert, wie habe ich mich verändert?
ALS SOLOREISENDE KONTAKTE KNÜPFEN
Allererste Erkenntnis: Das Soloreisen ist so viel einfacher als ich dachte!!! Zumindest hier in Asien, denn weiter bin ich noch nicht gekommen. Wer mich von Anfang an verfolgt, weiß, dass ich mit jemandem aus Deutschland aus gestartet bin. Allerdings haben wir uns nach 4 Tagen getrennt. Ich bin nach wie vor dankbar für die gemeinsame Vorfreude und für den gemeinsamen Start, aber auch dankbar, dass ich meine eigenen Reisegewohnheiten entwickeln konnte.
Und die sind vor allem langsam!
Ich wusste von Anfang an, dass ich keine Länder abhaken will, habe zu diesem Zeitpunkt aber mindestens 2 Länder weniger besucht, als ich anfangs geplant habe. Macht nichts. War genau richtig so!
Das Soloreisen ist toll und anstrengend und ernüchternd und befreiend und ermutigend und beängstigend und so viel mehr! Alles zur gleichen Zeit.
Die meiste Zeit ist es ziemlich cool allein zu reisen. Ich entscheide oft ganz spontan wie lang ich irgendwo bleibe, verlängere Tag um Tag, um dann urplötzlich abzureisen ;-). Je nach Laune, Wetter, Unterkunft und Leute dort.
Nur weil man solo reist, ist man nicht wirklich solo. Überall wo ich war, habe ich bisher Leute kennengelernt, um etwas zu unternehmen. Manchmal ist es super, manchmal nur gut oder ok ;-), aber wenn man nicht allein sein will, ist man es auch nicht.
Allerdings muss man der Typ dafür sein, Leute einfach anzuquatschen, im Hostel, im Zug, im Bus. Und ich verspreche, es wird leichter. Ich merke es an mir selbst. Ich war schon immer kontaktfreudig, aber mittlerweile komme ich irgendwo an und finde sofort einen Vorwand, um Kontakte zu knüpfen. Einfach reinreden. Man merkt schnell, ob die betreffende Person oder Gruppe gerade Kontakt sucht oder nicht. Und meistens suchen sie, sind aber zu schüchtern, selbst den ersten Schritt zu machen. Also, einfach mutig sein! Niemand will allein zu Abend essen.
HOSTELS
Der beste Platz für Soloreisende ist natürlich ein Gemeinschaftsschlafsaal in einem Hostel. Ich habe einige Leute kennengelernt, die bevorzugt in Einzelzimmern oder sogar Hotels schlafen und die mir geklagt haben, dass sie nicht so richtig in den Reisemodus kommen und dass es so schwer ist andere Backpacker kennen zu lernen. Naja, du lebst eben nicht das Backpacker-Leben, das sich nun mal vorrangig in Hostels abspielt. Die meiste Zeit unternehme ich etwas mit Leuten aus meinem Dorm, also die Leute, die über, unter oder neben mir schlafen. Man teilt ein Zimmer, warum also nicht auch das Abendessen und das Taxi zum Tempel. Ansonsten sind natürlich auch die Gemeinschaftsräume super, um Kontakte zu knüpfen…aber nicht jedes Hostel hat einen coolen Gemeinschaftsraum, in dem sich viele lang aufhalten. Wenn man in so einem Hostel also ein Einzelzimmer hat, wird es schwer.
Ich verstehe die Gründe, warum Leute gern ein Hotelzimmer haben und es ist nicht so, dass mich diese Gründe nicht auch reizen, aber die Vorteile eines Hostels überwiegen für mich. Gerade bin ich in meinem Hostel-Dorm in Ubud, auf Bali und habe hier eine tolle Gruppe an Leuten im Zimmer. Das Wetter ist scheiße hier seit ich angekommen bin und trotzdem habe ich um 2 Tage verlängert, weil ich meine derzeitige Gruppe mag. Unser Hostel hat keinen Gemeinschaftsbereich und ich habe keine Ahnung, wer die 10 Leute neben uns sind. Ist aber auch egal. Meine 9 Zimmergenossen reichen mir.
Ich habe die letzten 3 Jahre allein gelebt, in meiner eigenen Wohnung und war zu Beginn meiner Reise auch nicht sicher, wie ich darauf reagiere, mein Bad plötzlich mit 13 anderen zu teilen. Ich dachte, dass ich einfach alle 3-4 Wochen für ein paar Tage ein nettes Hotel nehmen werde.
Ist nicht passiert! Ich liebe das Hostel-Life, ich liebe die Leute, die ich so kennengelernt habe und ich liebe es nicht allein zu sein.
Zu 90% schlafe ich auf meinen Reisen also in Hostels (ansonsten Nachtzüge oder -busse oder Flughäfen oder dann doch mal ein Hotel, wenn ich nicht allein bin) und es macht mir seltsamerweise gar nichts aus. Eventuell freue ich mich etwas mehr als andere Reisende auf eine eigene Wohnung nach dem Ende meiner Reise. 😉
Nach einem eigenen Bad sehne ich mich also derzeit nicht zwingend. Das ist eine gute Erkenntnis!
FREUNDSCHAFTEN, SOCIALIZING
Was ich aber schneller als gedacht vermisse, sind langfristige Freundschaften.
Ich denke, das tollste am Reisen, vielleicht sogar noch vor den ganzen Orten, die man sehen darf, sind die tollen Menschen die man kennenlernt. Menschen, mit unterschiedlichen Kulturen, Sprachen, Geschichten, Problemen, Geschmäckern usw.
Wenn ich eins auf dieser Reise gelernt ist, dann dass man nie zu früh über Menschen urteilen darf (selbst wenn man, wie ich, glaubt eine gute Menschenkenntnis zu haben), man weiß nie was in deren Leben gerade lost ist.
Gerade erst wieder erlebt. Das Mädel unter mir: Abweisend, ignorierend, telefoniert Tag und Nacht…alle genervt. Gestern will sie plötzlich mit zum Roller-Ausflug. Es stellt sich heraus, dass sie seit 5 Jahren in Indonesien lebt und hier einen Freund hat, dessen muslimische Familie sie unter Druck setzt und sie beschlossen hat, erst mal zu gehen. Sie hat also gerade nichts mehr, spricht eben ständig mit ihrem Freund und ist auch noch sehr sympathisch, wenn sie nicht gerade nachts um 3 Uhr telefoniert.
Die allerbeste und zeitlich gesehen längste Gruppe habe ich bisher in Taiwan gehabt. Aber auch überall anders habe ich Freunde gefunden, mit denen ich teilweise immer noch kommuniziere und mit denen ich Erfahrungen teile. Und ich habe mittlerweile überall auf der Welt Schlafmöglichkeiten ;-).
Und trotzdem ist das ständige Sozializing manchmal anstrengend und man hat nicht immer Lust drauf. Und es ist definitiv zeitintensiv. Ihr merkt sicher auch, dass ich meine Webseite nicht in dem Maße aktualisiere, wie ich gern würde, aber ich bin nun mal mit dem Real Life beschäftigt. Wenn ich mich hinter meinem Laptop verstecke, anstatt mit anderen zu quatschen, bin ich die, die ihr Abendessen allein einnimmt und die „socially awkward“ ist. Am Anfang habe ich mich gefragt wie die ganzen Reise-Vlogger das machen. Jetzt weiß ich es, sie sind weniger gesellig oder mit Leuten unterwegs, die abends auch Stunden vorm Laptop verbringen anstatt ein Bierchen mit der Gruppe zu trinken und dann auszugehen. Als Pärchen ist das schon wieder einfacher, weil man immer noch sich hat. Wenn ich das mache, bleibe ich für meinen Aufenthalt in diesem Hostel auch allein. Was ich meistens nicht will. Ich habe also mittlerweile akzeptiert, dass ich wohl kein erfolgreicher Reise-Blogger werde ;-), aber genieße dafür die Zeit, die ich mit meinen neuen Freunden hier habe!
Der Nachteil an meinen neuen Freundschaften ist die Zeit, die uns im Nacken sitzt. Ein Grund, warum Freundschaften auf Reisen so viel schneller und intensiver sind, ist sicher, weil sie immer ein Enddatum mit sich bringen. Es ist kein Haltbarkeitsdatum, denn ich in mir sicher, dass ich einige dieser Leute wiedersehen werde und selbst wenn nicht, schweißen uns Erfahrungen zusammen, die wir gemacht haben.
Aber die Zeit, die uns bleibt, ist oft kurz, 2-5 Tage in der Regel und dann fängt die „Suche“ wieder von vorn an. Anstrengend. Und auch traurig! Man hat diese coole Truppe an Mädels und wünschte man könnte mehr Zeit mit ihnen verbringen, es erinnert dich an zu Hause, wo deine Mädels sich gerade zum gemeinsamen Abendessen treffen, nur dass du nicht dabei bist.
Ja, definitiv schneller als ich es dachte, vermisse ich langfristige Freundschaften und Beziehungen. Es sind keine einzelnen Personen sondern eher das Gefühl mit jemandem zusammen zu sein, der dich seit ein paar Jahren und nicht nur seit ein paar Tagen kennt.
Ich habe mit mehr oder weniger wildfremden Menschen unglaublich intensive Gespräche geführt auf dieser Reise (neben dem ganzen Small Talk, der nun mal dazu gehört), über das Leben, Erwartungen, Beziehungen usw, aber irgendwann hatte ich den Punkt erreicht, an dem ich „alte“ Freunde sehen wollte. Also bin ich relativ spontan nach Hong Kong geflogen, um eine Freundin zu besuchen, die in Peking lebt (Visum für China ist leider nicht so leicht). Und auch mein nächstes großes Ziel steuere ich wegen einer Freundin an, die dort Urlaub macht. Ich habe tatsächlich meine Planung für einen ganzen Kontinent umgeschmissen, um Zeit mit ihr zu verbringen. Und ich freue mich drauf!!!
NACHTEILE DES SOLO-REISENS
Gerade sehe ich keine, denn ich habe hier im Hostel eine coole Gruppe! 😉
Reisephasen: Aber es wäre naiv zu glauben und hier zu promoten, dass man nie allein oder auch einsam ist…denn das sind unterschiedliche Zustände. Aber beides passiert. Allein bin ich fast immer in den Reiseperioden. Vor Ort habe ich dann schnell wieder Anschluss. Aber erst mal steigst du allein in den Zug, in den Flieger oder das Taxi. Und manchmal wäre das Leben so viel einfacher, wenn jemanden auf deinen Rucksack aufpassen könnte, währen du schnell das Stille Örtchen aufsuchst.
Kosten: Gerade sowas wie Taxi, TukTuk oder sonstiger Transport ist als Solo-Reisender definitiv teuerer, weil man natürlich alle Kosten allein trägt.
Einsamkeit: Machmal komme ich irgendwo an und habe keine Lust zum Socializen und denke, es ist heute Abend auch ok allein essen zu gehen. Und meist ist es das auch. Ist ja nicht so, dass ich das in Nürnberg in den letzten 3 Jahren nicht auch schon gemacht hätte. Aber dann verfällt man sehr schnell in den Modus auch am Nächsten Tag keine Lust drauf zu haben und dann ist man durchaus auch mal einsam. Und im Flugzeug fühle ich mich manchmal einsam, wenn neben mir alle Händchen halten bei Start und Landung.
Aber ganz ehrlich, die Momente sind selten und nicht unbedingt häufiger als zu Hause. Das sollte dich also auf gar keinen Fall vom Solo-Reisen abhalten.
Erinnerungen teilen: Es gibt einen Aspekt, um den ich Freunde, die zusammen reisen und vor allem Pärchen definitiv beneide. Wenn sie irgendwann von ihrer Reise zurück sind und vielleicht Wochen oder Jahre vergangen sind, ist da immer noch die Person in ihrem Leben, mit denen sie diese Erinnerungen abrufen können. Vielleicht sitzen sie in ihrem Stammlokal in ihrer Heimatstadt und da läuft dieses Lied von Bruno Mars, das auf den Philippinen mindestens 5 Mal am Tag im Hostel gespielt wurde und beide schmunzeln und erinnern sich zurück an die Zeit dieser unglaublichen Reise und die gemeinsamen Sonnenuntergänge und den tollen Ausflug zu den Reisterrassen in Batad.
Wenn ich zurück komme, wird sich schon nach wenigen Tagen/Wochen kaum noch jemand für meine Abenteuer interessieren. Da mache ich mir gar keine Illusionen. Das Leben aller ist weiter gegangen. Das ist meine Reise und meine Erinnerungen kann ich mit niemandem in meinem Umfeld wirklich teilen. Die Erinnerungen werden nach der Reise nur mir gehören…und meinen neuen Freunden auf der ganzen Welt, denen ich dann einfach ein Foto von dem Augenblick, der mich gerade zum Lächeln bringt, schicken werde.
DATING ALS SOLO-REISENDE
Ja, das ist ein Thema, das ein paar von euch interessiert. Verstehe ich 😉
Hoffentlich versteht ihr, dass Details zu privat sind…sonst würdet ihr alles auf Instagram sehen. 😉
Wenn man offen ist und es forciert, ist es unglaublich einfach als soloreisende Frau Kerle kennen zu lernen. Gerade die Kurzurlauber sind alle auf der Suche nach einer kleinen Urlaubsromanze. Das ist am Anfang sicher spannend (wenn man es will und Single ist, natürlich), aber wird auf Dauer auch etwas wahllos. Ich persönlich will nicht ständig einen anderen Kerl in meinem Leben haben. Denn darauf würde es hinaus laufen. Denn wie Freundschaften auf Reisen, sind auch Urlaubsromanzen (fast) nie von Dauer. Mir ist natürlich klar, dass ich keine echte Beziehung führen werde, so lange ich auf Reisen bin. Aber das habe ich die letzten 3 Jahre auch ohne Reise nicht gemacht. Also was soll’s…
Für mich im Speziellen ist durchaus auch das „Problem“, das der durchschnittliche Backpacker, den ich im Hostel kennenlerne oft ca. 10 Jahre jünger ist. Das ist nicht unbedingt meine Zielgruppe. 😉 So offensichtlich das auch sein mag, aber Tinder kann hier eine Lösung sein. Und das nicht nur für Dates oder Hookups, manchmal auch nur für ein Abendessen mit einem Gleichaltrigen, der in einer ähnlichen Lebensphase ist und die gleiche Musik kennt und Arbeitserfahrungen gemacht hat und auch sonst ähnlichere Ansichten hat als der 20-Jährige Schulabgänger. Also, einfach mal ausprobieren!
Ein großer Nachteil als alleinreisende Frau ist, dass dich Typen eben oft als potenzielle Urlaubsromanze sehen und zwar NUR als das. Man kommt irgendwo an, lernt alle im Dorm kennen, hat 2 Tage viel Spaß in der Gruppe, ignoriert die kleinen Flirtereien vom Typen im Bett unter einem, dann forciert er ein Date oder körperliche Annäherung, man muss deutlicher werden und ist ab da auch als Travel-Buddy im Allgemeinen raus. Für den nächsten Ausflug wird man nicht mehr gefragt, ob man mit möchte. Ist mir einige Male passiert.
Ätzend…und Frauen, die in Gruppen reisen, passiert das definitiv weniger und selbst wenn, dann haben sie ja noch sich.
Aber gut, mittlerweile kann ich damit umgehen und mache von Anfang an klar, dass da nichts gehen wird. Da muss man mitunter ein dickes Fell haben.
FAZIT
Die letzten 5 Monate haben mich auf jeden Fall bereits geprägt, ich habe einiges über mich und das Leben gelernt, ich bin über meine Grenzen gegangen, ich habe Situationen allein gemeistert, die nicht ganz koscher oder angenehm oder anstrengend waren.
Ich bin aber keine propagierende Alleinreisende. Es ist definitiv nicht was für jeden. Man muss schon ein bisschen Vertrauen in sich selbst haben und viel Offenheit und Geduld mitbringen. Man muss Zeit mit sich allein aushalten können. Man muss ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Bestimmtheit mitbringen.
Wenn ich einen liebenden Partner hätte, mit dem ich gern zusammen reise, würde ich das auf jeden Fall vorziehen.
Den habe ich aber nicht und bevor ich allein zu Hause bleibe, gehe ich dann doch lieber allein auf Weltreise und genieße jeden Tag, den ich hier habe.
Und das tue ich. Es gibt so viele Momente auf dieser Reise, auch jetzt noch nach 5 Monaten, in denen es immer noch unfassbar ist, dass das jetzt gerade mein Leben ist und nicht nur ein Urlaub, und in denen ich unglaublich dankbar bin, dass ich das machen kann. Dass ich als Frau in einer Kultur geboren und aufgewachsen bin, in der es ok ist, so ein Unterfangen als Frau allein anzugehen. Das ist nicht selbstverständlich. Dass ich als starke Persönlichkeit und unabhängige Frau erzogen wurde. Dass ich finanziell in der Lage bin so eine lange Reise allein und ohne zu arbeiten zu stemmen.
In ganz vielen Momenten empfinde ich es immer noch als absolutes Privileg diese Reise unternehmen zu können und wenn es auch die nächsten 5 Monate allein ist, dann umso besser ;-).